Corona: Was Sie zu Änderungen im Insolvenzrecht, zur Anfechtung, zu Haftungsrisiken und Rückforderungen wissen sollten mit Rechtsanwalt Dr. Peter Staufenbiel

 In Corona, Newsblog

Aufgrund von Corona kann es verstärkt Firmen geben, bei denen die Zahlungsfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist oder Zahlungsschwierigkeiten entstehen. Der Gesetzgeber hat daher auch Änderungen  im Insolvenzrecht aufgrund von Corona beschlossen. Am 27.03.2020 fand eine Online Informationsveranstaltung mit dem Titel „Corona Virus – Recht, Steuern und Wirtschaft“ statt. Als Experte und Referent nahm unter anderem Herr Rechtsanwalt Dr. Peter Staufenbiel, Fachanwalt für Insolvenzrecht, teil und hat den Teilnehmern die Änderungen im Insolvenzrecht erläutert. In dieser Folge hören/lesen Sie zu diesem Thema einen Auszug aus unserem Webinar mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Staufenbiel.

Welche Änderungen im Insolvenzrecht hat es wegen Corona hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht gegeben?

Der Gesetzgeber hat folgende  Änderungen im Insolvenzrecht wegen Corona in wirklich atemberaubender Geschwindigkeit beschlossen. Für die am Wirtschaftsleben Beteiligten, die eine sogenannte Insolvenzantragspflicht haben (hauptsächlich GmbHs oder GmbH & Co. KGs), wird die Insolvenzantragspflicht, wenn man überschuldet oder zahlungsunfähig ist, erstmal aktuell bis zum 30. September 2020 ausgesetzt.  Das heißt, der Geschäftsleiter, GmbH-Geschäftsführer muss nicht zum Insolvenzgericht gehen, wenn er merkt, ich bin zahlungsunfähig, sofern die jetzt eingetretene Zahlungsunfähigkeit Corona-bedingt in der Krise aufgetreten ist. Zum 2. muss natürlich eine Aussicht bestehen, dass die Zahlungsunfähigkeit dann, wenn die Krise überwunden ist, wieder beseitigt werden kann.

Die Regelung ausschließlich für den Insolvenzgrund Überschuldung wurde bis 31.12.2020 verlängert. Außerdem wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31. Dezember 2020 verlängert, dies aber nur für Unternehmen, die überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind. Für die anderen Gründe verbleibt die Regelung beim 30.09.2020. Ein Unternehmen ist überschuldet, wenn sein Vermögen nicht ausreicht, die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken.

Ab 1.10.2020 muss bei Zahlungsunfähigkeit wieder der Insolvenzantrag gestellt werden.

Gibt es eine Vermutung bezüglich der Insolvenzantragspflicht?

Der Gesetzgeber hat für die Unternehmen nochmals erleichternd im Hinblick auf die Insolvenzantragspflicht klargestellt: Es wird vermutet, wenn ich nachweisen kann, dass ich zum 31.12.2019 zahlungsfähig war, dass keine Insolvenzantragspflicht besteht.

Worauf sollte aufgrund der Vermutung geachtet werden und wie kann ich Haftungsrisiken minimieren?

Die eigentlich wichtigste Botschaft ist Dokumentation! Dokumentation ist jetzt tatsächlich das A und O. Ich weiß, dass die Unternehmer gerade ein anderes Augenmerk haben und versuchen, sich überhaupt zu strukturieren und persönlich auch mit der Situation klarzukommen. Aber am Ende des Tages, wenn irgendwann diese Krise mal überwunden ist, ist entscheidend, dass ich dokumentieren konnte, zu welchem Zeitpunkt ich mich in welcher Situation befunden habe. Sicherlich kann das auch parallel durch Ihre Steuerberater anhand von BWAs, also betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Summen- und Saldenlisten, nachgewiesen werden. Aber wer jetzt die Kapazitäten dazu hat bzw. die Steuerberater, die die Kapazitäten dazu haben, sollten eine darüber hinausgehende Dokumentation vornehmen, um einfach den schlimmsten Fall für sich auszuschließen. Der schlimmste Fall ist, wenn ich das alles missachte oder sich nachträglich herausstellt, dass ich dem Insolvenzverwalter nicht nachweisen kann oder der Insolvenzverwalter kommt im Worst-Case-Fall und behauptet, es lag gar keine Corona-bedingte Insolvenzreife vor. Ich sehe mich dann natürlich Ansprüchen ausgesetzt und als Geschäftsleiter, als GmbH-Geschäftsführer oder Geschäftsführer einer GmbH Co. KG oder als Vorstand hafte ich mit meinem persönlichen Vermögen und das ist schon sehr hart. Gott sei Dank ist dies in Deutschland nur eine absolute Ausnahme im Insolvenzfall.

Gibt es eine Insolvenzflut wegen der Änderungen im Insolvenzrecht aufgrund der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht?

Viele Personen meinen, aufgrund dessen, was wir gerade erleben, wird es eine Insolvenzflut geben. Ich kann das noch nicht abschätzen und auch inwieweit die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht dabei hilft. Ich kann sagen, in den zahlreichen Gesprächen der letzten 14 Tage, die ich persönlich hatte, waren bisher nur Unternehmen betroffen, die schon irgendwie ein anderes Problem hatten. Bei mir persönlich hat tatsächlich noch niemand ausschließlich wegen der Corona Krise angerufen und um ein Gespräch gebeten. Bisher sind es lediglich Unternehmen, die sowieso schon ein Problem hatten und die vielleicht schon extern oder intern vielleicht ein Zahlungsproblem hatten.

Welche Rechtsfolgen ergeben sich für die Beteiligten aufgrund der Änderungen im Insolvenzrecht, z.B. hinsichtlich der Anfechtung, Rückforderungen und der Gläubigerbenachteiligung?

Wenn man davon ausgeht, die Insolvenzantragspflicht ist bis zum 30.09.2020 ausgesetzt und es wird wirklich sauber dokumentiert, dann sind natürlich für die Banken und für die Betroffenen die Rechtsfolgen entscheidend.

Der Gesetzgeber möchte auch mit den Änderungen im Insolvenzrecht als Hauptzweck erreichen, dass die Banken neue Kredite geben. In der Rechtsfolge wird gesagt, wenn ich jetzt in dieser Zeit Kredite bekomme und die dann auch tilge, dann gelten die nicht als gläubigerbenachteiligt. D. h. das ist für Sie als Schuldner oder als Betriebsinhaber nur mittelbar wichtig, aber für die wichtig, die jetzt ganz schnell Unternehmen in der Krise Geld geben müssen, die Kreditinstitute. Zum 2. ist wiederum für Sie jetzt folgende Rechtsfolge wichtig. Sie sind nicht isoliert im Rechtsverkehr, sondern Sie haben natürlich mit anderen Unternehmen zu tun, wo Sie als Kunde jetzt vielleicht gerade nicht zahlen können, in Zahlungsschwierigkeiten kommen oder umgedreht. Sie überlegen, kann ich da jetzt künftig überhaupt noch hin liefern. Ich selbst habe Liquiditätsprobleme, muss jetzt noch weiter liefern, ich weiß gar nicht, ob mein Kunde zahlt. Hier wird ausdrücklich klargestellt, dass alle Rechtshandlungen, die jetzt vorgenommen werden und vertragsgemäß sind, wo ganz normal der Wirtschaftsverkehr weiter läuft, nicht der Anfechtung unterliegen. Nicht vertragsgemäß wäre zum Beispiel, wenn ich versuche, durch Vollstreckungshandlungen an mein Geld zu kommen.

Aktuell im Wirtschaftsverkehr habe ich das Risiko, dass dann retroperspektiv ein Insolvenzverwalter kommt und irgendwelche aus Ihrer Sicht abstrusen Rückforderungen geltend macht. Die, die leidvoll vielleicht schon mit Insolvenzanfechtung zu tun hatten, wissen, das kommt sehr, sehr spät, oft nach Jahren. Ich bin jetzt durch die Gesetzesänderung dann nur noch gefährdet, wenn ich positive Kenntnis davon hatte, dass es meinem Gegenüber nicht gut geht. Indizien oder dass es der ganzen Branche schlecht geht, reichen nicht. Ich müsste schon explizit wissen, dass der Kunde zahlungsunfähig ist und dass sich das auch nicht mehr beseitigen lässt.

Gelten die Änderungen im Insolvenzrecht auch für Unternehmen, die nicht insolvenzantragspflichtig sind?

Wir haben jetzt die ganze Zeit von eigenen Insolvenzanträgen gesprochen. Die genannten wichtigsten Aspekte, zum Beispiel, dass Kreditinstitute Gelder geben können, die Kunden ruhigen Gewissens zurückzahlen können und dass das Ganze der Anfechtbarkeit entzogen ist, gilt auch für die Unternehmen, die nicht insolvenzantragpflichtig sind, z.B. Einzelunternehmen oder GbRs.

Gibt es Änderungen im Insolvenzrecht, wenn Gläubiger jetzt Insolvenzanträge stellen?

Es kann natürlich trotzdem noch passieren, was bisher auch der Fall war, dass ich durch interne, externe oder objektive Umstände einfach nicht meiner Zahlungspflicht nachkommen kann. Dann haben meist Krankenkassen oder die Finanzämter Insolvenzanträge gestellt. Das wird jetzt auch suspendiert. Wenn in den nächsten 3 Monaten ein Insolvenzantrag eines Gläubigers käme, dann muss geprüft werden, ob der Insolvenzgrund schon zum 1. März 2020 vorlag.

Was ich Ihnen aber noch sagen kann: Sowohl die Finanzämter als auch die Krankenkassen haben natürlich jetzt ihre Vollstreckungsmaßnahmen runtergefahren, meines Erachtens sogar aktuell gegen Null gefahren, sodass hoffentlich jetzt aus meiner Sicht sehr wahrscheinlich in nächster Zeit nichts weiter droht.

Was sollte derzeit aufgrund der Änderungen  im Insolvenzrecht dokumentiert werden?

Zusammengefasst: Wichtig für Sie wäre dann die Dokumentation. Dokumentation bedeutet nicht nur den Ist-Stand, vielleicht zum 31.12.2019 oder jetzt in der aktuellen Situation, sondern gleichzeitig auch noch immer die Fortführungsprognose.

Wie wichtig ist dabei die Fortführungsprognose?

Ich empfehle sowieso in jedem Gespräch mit Geschäftsleitern, auch außerhalb einer Krise, immer eine Fortführungsprognose zu haben. Sicherlich wird diese dann eher stiefmütterlich behandelt, aber jetzt muss die Fortführungsprognose sicherlich jeder haben. Fortführungsprognose heißt für mich eine Prognose, natürlich nicht nur für das laufende Geschäftsjahr, sondern auch für das darüber hinausgehende Geschäftsjahr und zwar inklusive einer Liquiditätsplanung. Ich werde gefragt, wie soll ich denn konkret und weit in die Zukunft schauen können. Sie können natürlich nur aufgrund der heutigen Situation eine Prognose in die Zukunft machen. Dabei können sicherlich Ihre Berater unterstützen oder vielleicht machen die Berater das sogar für Sie. Die Prognose müssen Sie dann jederzeit anpassen und einfach versuchen, immer für sich nachzuhalten, damit Sie intern betriebswirtschaftlich perfekt aufgestellt sind und damit Sie die Risiken, die ich hier beschrieben habe, vielleicht auf ein Minimum reduzieren können.

Vielen Dank an Herrn Rechtsanwalt Dr. Peter Staufenbiel, dass wir den Auszug aus dem Webinar in unserem Podcast zum Thema „Änderungen im Insolvenzrecht“ veröffentlichen durften.

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Ihre Sabine Banse-Funke
Diplom-Finanzwirtin (FH) Steuerberaterin
Fachberaterin im Gesundheitswesen H:G/metax

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